10 Jahre Familien in Not

Nachricht 02. März 2016

Impulsgespräch zum Thema „Wofür wir uns engagieren“ im Literaturhaus St. Jakobi

Ehrenamtliches soziales Engagement kann im besten Sinne für beide Seiten ein richtig gutes Geschäft sein: Wer freiwillig gibt, erhält auch viel zurück. Diese Erkenntnis konnten Gäste von der Feier des zehnjährigen Bestehens der Initiative „Familien in Not“ (FiN) mitnehmen. Und das gute Gefühl, dass die Hilfsbereitschaft der Hildesheimer Bürgerinnen und Bürger eher wächst als nachlässt.

Was bewirkt soziales Engagement in einer Stadt? Aus Anlass der Geburtstagsfeier der Initiative hatte Oberkirchenrat und FiN-Stiftungsvorsitzender Helmut Aßmann Gesprächspartner ins Literaturhaus St. Jakobi Hildesheim eingeladen, die sich mit dem Thema Ehrenamt von verschiedenen Seiten her bestens auskennen. Bei diesem Anlass durfte vor allem Thomas Buschjohann nicht fehlen: Mit seiner Idee, zu Weihnachten unter den Mitarbeitern von KSM in Hildesheim Geld für eine Familie in Not zu sammeln, fing 2005 alles an. Aus der einmaligen Spende wurde eine Initiative, die 2011 durch eine Stiftung finanziell breiter aufgestellt werden konnte.

Mit einem starken Netzwerk im Rücken, getragen von der Diakonie Hildesheim, Firmen und Institutionen begleite „Familien in Not“ 40 bis 50 Familien im Jahr, erläuterte Koordinatorin Gisela Sowa vom Diakonischen Werk des evangelischen Kirchenkreisverbands Hildesheim. Neben finanzieller Hilfe spiele dabei auch das persönliche Gespräch eine große Rolle. Gisela Sowa schilderte das am Beispiel einer alleinerziehenden Mutter, die eigentlich nur auf einen Zuschuss hoffte, um ihrem Sohn die Ausstattung für sein Fußballtraining bezahlen zu können. Dass sie endlich auf offene Ohren traf, habe aber dazu geführt, tief sitzende persönliche Probleme aufzuarbeiten und so Spannungen aus der Mutter-Kind-Beziehung zu nehmen. „Jede Familie kann ins Schlingern geraten“, sagte Gisela Sowa.

Für Firmen spiele durchaus der unternehmerische Marketinggedanke eine Rolle, wenn sie sich sozial engagierten, erklärte Thomas Buschjohann. Aber was haben einzelne private Helfer und Helferinnen von ihrem Einsatz? Anerkennung, Wertschätzung, neue Perspektiven, eine Struktur im Alltag, Gemeinschaft und das Gefühl, etwas zu bewirken, kam aus der Gesprächsrunde zurück. Dann geschehe das Engagement also gar nicht aus reiner Selbstlosigkeit, schloss Helmut Aßmann und fragte: „Ist das okay?“ „Das ist doch nicht schlecht“, erwiderte Prof. Dr. Christa Paulini, Dekanin der Fakultät für Soziale Arbeit und Gesundheit der HAWK (Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst). Geben und Nehmen müssten in Balance stehen.

 

Diese nötige Balance sei auch nötig im Zusammenspiel von Ehrenamt und hauptamtlich Tätigen, hieß es im Gespräch. An der Supervision und Begleitung von Ehrenamtlichen werde zu oft gespart, fand Antje Gouby. Sie ist Fachbereichsleiterin Kinder und Jugendliche beim Sportverein Eintracht und kümmert sich dort auch um den Freiwilligendienst und die Kooperation mit Schulen und Betrieben. Es müsse immer möglich sein, dass Ehrenamtliche ihren Einsatz reduzierten, ohne dass eine Einrichtung in Bedrängnis gerate. Elisabeth Junge, Leiterin der Johannesschule, betonte ebenfalls, dass Ehrenamtliche nie als Ersatz für berufliche Kräfte angesehen dürften: „Ich wünsche mir, dass soziales Engagement nur das Sahnehäubchen ist auf der Sozialpolitik.“

Die Hilfsbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger sei eine große Entlastung bei der Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge und für sie eine positive Erfahrung, unterstrich Veronika Breßer, Fachdienstleiterin Erziehungshilfe beim Landkreis. Die Ehrenamtlichen seien von selbst gekommen, boten Kurse an, luden Jugendliche zum Kekse backen oder Pizza essen ein. „Das läuft im Moment wirklich sehr gut“, bestätigte Bürgermeister Ekkehard Palandt für die Stadt,: „Das soziale Engagement hat sich gesteigert.“

Dann sei die angeblich immer egoistischer werdende Gesellschaft wohl nur eine Mär, zog Helmut Aßmann ein erfreuliches Fazit: „Gute Menschen trifft man überall. Gott lässt solche Menschen extra wachsen.“

Wiebke Barth
Kultur & Kommunikation