Den Menschen, denen wir täglich in unserer Arbeit begegnen, kommen aus den unterschiedlichsten Ländern und bringen viele multikulturelle Lebensstile, familiäre Prägungen und individuelle Erlebnisse mit. Diese tragen sie, mal mehr und mal weniger schwer als „Rucksack“ auf ihren Schultern. Eines haben die Ratsuchenden gemeinsam: Sie haben ihre Heimat verlassen (müssen) und suchen unsere Beratung auf, um auf unterschiedlichste Weise Unterstützung zu erhalten, damit dieser „Rucksack“ nicht noch schwerer wiegt. Gelingt es uns als Mitarbeiter*innen des Fachbereichs Migration und Integration die Sorgen und Alltagsprobleme dieser Menschen zu mindern?
Das ist die Frage, die wir uns als Mitarbeitende in diesem Berufsfeld immer wieder stellen. Wir geben in der Beratung und durch verschiedene Projekte Hilfestellung in Sachen Bürokratie, wir hören zu und informieren, vermitteln und bewältigen Hindernisse, bauen Brücken gemeinsam mit den Ratsuchenden. Sicherlich kommen wir dabei oft an strukturelle oder auch persönliche Grenzen. Daher besteht ein Teil unserer Arbeit auch darin, auf strukturelle Hindernisse und Barrieren aufmerksam zu machen und mögliche Lösungskonzepte an Entscheidungsträger heranzutragen. Diese Aufgabe betrachten wir allerdings als eine gesamtgesellschaftliche.
Auch wenn wir in unserem Arbeitsalltag an den vielen kleinen und großen Aufgaben viel Zeit und Energie aufwenden und mitunter an Grenzen kommen, so verlieren wir dabei das große Ganze nicht aus den Augen: Die vielfältigen Menschen, die in Deutschland eine neue Heimat finden, bringen ein unglaublich hohes Potenzial und bedeutsame Ressourcen mit. Durch die Förderung von unvoreingenommener Begegnung verschiedenster Kulturen auf Augenhöhe, durch Integrationsprojekte und Formate zum Austausch zwischen vielfältigen Kulturen, durch Beratung und Wissensaustausch entstehen gemeinsam in Vielfalt neue kreative Lösungen, kann gesellschaftlichen Ängsten entgegengewirkt werden und der Wille zu einer friedlichen und diversen Gesellschaft gefördert werden.
Wir erkennen die großen Möglichkeiten und Chancen für unsere Gesellschaft in der Arbeit mit den vielfältigen Menschen, die unsere Beratung aufsuchen. Wir sehen die Sprachkompetenzen, die unterschiedlichen beruflichen Qualifikationen und Erfahrungen und vor allem die unglaubliche Resilienz, die Menschen durch ihre Biografien entwickelt haben. Dieses vielfältige Potenzial steckt in jedem manchmal schwerwiegenden „Rucksack“ geflüchteter Menschen oder Menschen mit Migrationsgeschichte. Das sichtbar zu machen, motiviert uns in unserer Arbeit in unserem multikulturellen Team und hilft uns, bei der Bewältigung der alltäglichen Hindernisse in der Migrations- und Integrationsarbeit.
Seit fast 9 Jahren besteht der Fachbereich aus einem multiprofessionellen Team, das mehr als zehn Sprachen spricht. Die Mitarbeiter*innen setzen sich für Neuzugewanderte beratend und politisch ein und unterstützen integrative sowie ehrenamtliche Strukturen. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen die (dezentrale) Beratung und Begleitung für Zugewanderte, Geflüchtete und Ehrenamtliche. Zum Angebot des Fachbereichs gehören verschiedene Beratungen und Projekte, die im Folgenden dargestellt sind.
Integrationshelfer*innen im süd-östlichen Landkreis Hildesheim
Zum Team der Integrationshelfer*innen gehören Jennifer May, Hanan Alshik-Yousef, Beate Ziegenfuß und Omar Al Mustafa, die für die Beratung und Begleitung von Geflüchteten und Ehrenamtlichen in den Regionen Bad Salzdetfuth, Bockenem, Holle und Lamspringe verantwortlich sind.
Bad Salzdetfurth und Lamspringe
Das Jahr 2023 war geprägt von Neuregelungen und Einführungen neuer Verordnungen und Antragsverfahren, dem Öffnen neuer Großunterkünfte und der weiterhin ungeregelten Beratungssituation in bestehenden Großunterkünften.
Durch die veränderte Aufnahmeregelung der ukrainischen Geflüchteten stiegen die Anfragen von UkrainerInnen, aber auch ehrenamtlichen HelferInnen, zum neuen Registrierungsprozess, der Leistungsbeantragung und der Familienzusammenführung, sowie der damit verbundenen Änderung der Wohnortwahl.
Mit der Einführung des Bürgergeldes und den damit verbundenen Änderungen des Antrages, benötigten viele anerkannte Geflüchtete wieder Hilfestellung beim Ausfüllen der Unterlagen. Hinzu kam die unklare Namensgebung, die dazu führte, dass auch viele Geflüchtete im laufenden Asylverfahren oder bereits Berufstätige fragten, ob ihnen diese Leistungen zustehen. Aber auch viele ältere Menschen in der Grundsicherung fragten nach, wie und wo sie diese Leistungen beantragen könnten.
Durch den Umbau und die Eröffnung der ehemaligen Realschule in Lamspringe als Unterkunft für Geflüchtete und der fehlerhaften Kommunikation über die Beratungsleistung innerhalb der Einrichtung, stiegen auch hier die Beratungsanfragen stark an.
Zudem sorgte die weiterhin ungeregelte Beratungssituation im ehemaligen Relexa-Hotel mit ca. 100 ukrainischen Geflüchteten und der geplanten Erweiterung um ca. 130 Plätze für Menschen im Asylverfahren für einen Anstieg der Beratungsanfragen.
Auf Grund der schwierigen Erreichbarkeit der Ausländerbehörde für die Klient*innen, stieg auch wieder der Hilfebedarf bei der Unterstützung der Kontaktaufnahme und Terminvereinbarung an.
Bockenem
Im Jahr 2023 waren die Zahlen der Geflüchteten, die durch das Team in Bockenem betreut wurden und die Beratungsstelle aufsuchten enorm steigend. Der Zuzug von Ukrainer*innen war nicht mehr so groß, jedoch gab es wieder vermehrt Zuweisungen von Geflüchteten aus aller Welt, insbesondere aber aus Syrien, Afghanistan und Kolumbien.
Die ungeregelte Situation der Betreuung in den beiden Hotels, mit zusätzlich 70 Plätzen verschärfte die Beratungsdichte noch weiter.
Die Zahl der Klient*innen hat sich in kurzer Zeit nahezu verdoppelt. Da sich die Personalsituation nicht wesentlich verändert hat, konnten die Menschen nicht mehr mit der notwendigen Intensität unterstützt werden. Die Qualität unserer Integrationsarbeit leidet darunter ebenso wie die Arbeitsfähigkeit der Mitarbeitenden. Katja Pape-Kürstein bietet in Bockenem schwerpunktmäßig ein Beratungsangebot für ukrainische Zugewanderte und Menschen aus der EU an. Im Jahr 2023 hat sie viele Menschen aus der Ukraine und aus Bulgarien beraten, bei Facharztterminen begleitet und bei der Integration unterstützt.
Holle
In Holle wurden Asylbewerber*innen und bereits anerkannten Flüchtlinge in Holle untergebracht und beraten. Zu den Nationalitäten zählten beispielsweise Menschen aus Kolumbien, Irak oder Türkei. Die Beratung, die sowohl für Asylbewerber als auch für anerkannte Flüchtlinge angeboten wird, spielt wesentliche eine Rolle bei der Integration und dem Wohlbefinden dieser Menschen. Beratung findet hauptsächlich in Präsenz und durch Hausbesuche statt, um eine direkte Unterstützung und Interaktion zu gewährleisten. Die Beratung fokussiert sich nicht nur auf asylrechtliche Themen, sondern auch auf sozialrechtliche, psychosoziale oder gesundheitliche Fragen.
Migrationsberatung für Erwachsene Zugewanderte in Hildesheim
In der Beratungsstelle in Hildesheim wurden 275 Fälle (davon 36 Fälle im Casemanagement) von den Migrationsberater*innen Elena Vogel und Mandy Steinberg dokumentiert und im KIBnet erfasst. Damit sind insgesamt 275 Ratsuchende einschließlich mitberatener Personen erreicht worden. Die Ratsuchende aus der Ukraine (50 Personen) und aus Syrien (51 Personen) sind die größten Gruppen im Jahr 2023 geblieben. Die zweitgrößte Gruppe bilden Klient*innen aus Syrien – 45 Personen, während im Jahr 2022 das nur 21 waren. Die zweitgrößte Gruppe bildete der Personenkreis aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Die Zahl der Ratsuchenden ist mit 38 Personen in Jahren 2022 und 2023 konstant geblieben. Zu den weiteren häufigeren Beratungspersonen zählten Menschen aus dem Irak, Iran, Afghanistan, Bulgarien, Russischer Förderation, Kasachstan und den übrigen afrikanischen Ländern. Insgesamt spiegeln die Herkunftsländer die Gesamtverteilung von Zuwanderer im Stadtgebiet wider. Im Rahmen der Beratung zeigte sich ein zunehmendes Interesse für die Einbürgerung. Rückblickend haben sich die Beratungsinhalte kaum geändert: die häufigsten Fragen kommen weiterhin aus dem sozialrechtlichen Bereich bzw. aus dem SGB II-Bereich. Onlineberatung sowie Video- oder Telefondolmetschen wurden im Jahr 2023 nur durch Mandy Steinberg angeboten und individuell nachgefragt. Da Elena Vogel russisch spricht war in der Beratung russischsprachiger Klient*innen keine Dolmetscherhilfe notwendig. Außerdem waren haben die MBE-Mitarbeitenden auch im Jahr 2023 an dem von der Stadt Hildesheim initiierten Projekt „zusammenHalt“ teilgenommen. Das Begegnungs- und Beratungszentrum 'zusammenHalt' ist eine erste Anlaufstelle für geflüchtete Menschen. Die Migrationsberatung wird von verschiedenen Wohlfahrtsverbände abwechselnd einmal monatlich im Rahmen einer Sprechstunde angeboten. Lion von Steimker und Mailien Broszeit unterstützten die Migrationsberatung während ihres Anerkennungsjahres als Sozialarbeiter*in.
Frauenspezifische Projekte in Hildesheim, Bockenem und Peine
Frauen und Beruf
Seit Juli 2023 unterstützt Maryam Davari das Hildesheimer Team und bietet schwerpunktmäßig Beratungen für Frauen an, die farsi, dari oder türkisch sprechen. Außerdem hat sie in Kooperation mit dem Begegnungszentrum Hi.punkt ein Frauencafé ins Leben gerufen, das einmal wöchentlich stattfindet und sehr gut angenommen wird. Des Weiteren bietet sie ein wöchentliches Frauensprachcafé an, das eine Plattform bietet, um die (berufsspezifische) Sprache zugewanderter Frauen zu verbessern. In Patenschaften, sozusagen von ehrenamtliche für zugewanderte Frauen lernen sich die Teilnehmenden kennen, so dass neben der Sprache auch Bekanntschaften oder Freundschaften entstehen können.
„Frauen gemeinsam in die Zukunft“ in Hildesheim (Weltcafé)
Im Projekt „Frauen gemeinsam in die Zukunft“ für Frauen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte geht es um ein wichtiges und aktuelles Thema: Frauen bei der Orientierung auf dem deutschen Arbeitsmarkt zur Seite zu stehen, Perspektiven und Chancen aufzuzeigen und beim Bewältigen von Hindernissen zu unterstützen.
Dazu finden Einzelberatungen und ein wöchentliches Frauencafé im Michaelis Weltcafé statt. In der Gruppe haben die Teilnehmerinnen die Möglichkeit ihre Erfahrungen auszutauschen, Inhalte und Themen zu gestalten und Wissen- und Orientierung zum Thema Arbeit in Deutschland zu erhalten.
Außerdem gibt es kreative Einheiten, Ausflüge oder Besuche von kulturellen Veranstaltungen. Das Projekt gibt es in Hildesheim seit Oktober 2020 und voraussichtlich bis Ende 2024.
Zudem kamen mit Peine und Bockenem im Jahr 2023 zwei weitere Standorte im Landkreis für das Projekt hinzu.