Sowohl Denken als auch Handeln - und dazu die Hoffnung auf ein Wunder
Diskussion im MichaelisWeltcafé zum Klimawandel: Angst kann Engagement ausbremsen – aber Gemeinschaft hilft
Hildesheim. Die Zeit drängt. Weltweit warnen Wissenschaftler vor den katastrophalen Folgen des Klimawandels. Die drohende Gefahr ist seit Jahrzehnten bekannt und längst auch sichtbar und spürbar. Wie ist es möglich, dass die Politik darauf bisher kaum reagiert hat? Warum haben die BürgerInnen nicht schon längst massiv Druck auf ihre Regierungen gemacht, um das Steuer herumzureißen? Diese Fragen stellten sich Prof. Dr. Harald Schwaetzer, Philosoph an der Universität Hildesheim, sowie Aisha Bermel und Ellen Gerdes, Aktivistinnen bei Extinction Rebellion, in einer Diskussion im MichaelisWeltcafé. Moderiert wurde das Gespräch von Dr. Susann Kabisch, Philosophin und Klimacoach.
Michaela Grön, Leiterin des Kirchenkreis-Projektes „Lernen eine Welt zu sein“ und zusammen mit dem MichaelisWeltcafé Gastgeberin, begrüßte rund 30 ZuhörerInnen. Die stiegen schnell in die Diskussion mit ein.
„Zukunft in Gefahr – Erst denken oder erst handeln?“ lautete der Titel der Veranstaltung. Dass beides nötig ist, wurde schnell klar: „Es lohnt sich zu denken, wenn man das Denken sofort als Handeln begreift“, formulierte Schwaetzer, „wenn man denkt, passiert immer was.“ Doch warum beteiligen sich dann trotz der bekannten Fakten doch relativ wenige Menschen an Demonstrationen und Aktionen, um eine konsequente Klimapolitik einzufordern? Sie selbst habe die Folgen des Klimawandels im globalen Süden gesehen, sagte Ellen Gerdes. Seither stehe für sie fest: „Die Bevölkerung muss massiv den Wandel einfordern.“ Stattdessen jedoch begegne sie Egoismus und Apathie, Leugnen und Resignation: „Ich verstehe das nicht, erklären Sie mir das mal.“
Eine Erklärung liegt für Schwaetzer darin, dass die Menschen sich angewöhnt hätten, sich von der Welt als Objekt emotional zu distanzieren – eine Voraussetzung für Fortschritt durch technische Entwicklung, die ja auch erst einmal den Wohlstand vorangetrieben habe. Es sei jetzt schwer, diese Distanz wieder aufzuheben.
Ein anderer Aspekt wurde aus dem Publikum genannt: die Angst. „Wenn ich alles an mich heranlasse, was ich lese, das könnte ich gar nicht ertragen“, erklärte eine Zuhörerin. „Angst ist ein Reflex und führt dazu, dass Leute wegsehen“, bestätigte ein Zuhörer. Es müssten Wege gesucht werden, Vernunft und Gefühl miteinander zu vereinbaren, hieß es außerdem. Immer nur Verzicht zu predigen, wirke nicht gerade verlockend.
„Ich bin nicht hergekommen, um entmutigt, sondern um ermutigt zu werden“, forderte ein Zuhörer ein. Noch sei es ja auch nicht zu spät, erklärte Ellen Gerdes und warb für Bürgerversammlungen, die mit gut informierten Arbeitskreisen Handlungsalternativen entwickeln und gleichzeitig die Demokratie stärken könnten. Sie empfahl, sich einer Umweltschutz-Bewegung anzuschließen, um den Rückhalt einer Gemeinschaft zu erfahren und etwas zu tun gegen das Gefühl der Ohnmacht. Denn: Wer sich für Veränderung engagiere, stehe oft einsam da, haben die Diskutierenden erfahren.
Sie habe sich schon als 14-Jährige mit aller Kraft als Aktivistin eingesetzt und sich selbst damit überfordert, erzählte Studentin Aisha Bermel. Daher habe sie eine Denkpause eingelegt und erst einmal das Studium begonnen. Jetzt sei sie aber mit Extinction Rebellion wieder aktiv geworden. Zudem könne jede und jeder in seinem eigenen Bereich, mit seinen speziellen Fähigkeiten und Kenntnissen wirken, riet Schwaetzer.
Ermutigung kam von Matthias Böning, Geschäftsführer der Diakonie Hildesheim: „Ich glaube noch an Wunder“, sagte er. „Wenn ich die Jugend sehe, glaube ich noch, dass die Welt zu retten ist.“ Wiebke Barth