Bahnhofsmission

Hinsehen, wo andere wegsehen. Zuhören, wo Sorgen und Fragen quälen. Zeit schenken, wo andere rastlos vorbeieilen und handeln, wenn Hilfe benötigt wird. Dies ist in knappen Worten zusammengefasst das, was die Arbeit der Mitarbeitenden in der Bahnhofsmission tagtäglich ausmacht. Ob in unserem Gastraum, am Gleis oder im Bahnhofsgebäude selbst, wir sind in unseren blauen Dienstjacken erkennbar und ansprechbar für Jeden, der Hilfe benötigt. Gleichzeitig gehen wir aber auch mit offenen Augen über das Bahnhofsgelände und sprechen Menschen aktiv an, wenn wir den Eindruck haben, dass unsere Unterstützung nötig sein könnte.
Da unsere Tür für jeden offen steht, ohne Vorbedingung, Termin und Voranmeldung, finden immer wieder Menschen zu uns den Weg, die nie alleine eine Behörde oder Beratungsstelle aufsuchen würden, auch wenn ihre Probleme erdrückend sind und sie dringend Hilfe benötigten. In solchen Fällen bedarf es manchmal viel Geduld und intensiven Gesprächen, bis eine Vertrauensbasis hergestellt und die Bereitschaft gewachsen ist, Hilfe von außen anzunehmen.
Der kostenlose Kaffee ist häufig der Türöffner für weiterführende Gespräche. Aber wir müssen es auch aushalten, wenn Menschen die bestehenden Hilfsangebote des sozialen Netzes der Stadt nicht annehmen wollen.
Seit Jahren verzeichnet unsere Statistik eine Zunahme der Menschen, die mit psychischen Erkrankungen und/ oder Suchterkrankungen belastet sind. Dies ist ein bundesweit zu beobachtender Trend, der in nahezu allen Bahnhofsmissionen dokumentiert wird. 

Statistik

  • Im Jahr 2018 hatten die Mitarbeitenden der Bahnhofsmission Hildesheim insgesamt 2923 Kontakte zu Hilfesuchenden. 2029 Personen, also rund 69% davon waren männlich. 2380 Personen hielten sich mehr oder weniger lange in unserem Gastraum auf. Es wurden 561 Reisende sowie 52 allein reisende Kinder gezählt. Die Kinder waren überwiegend über das Angebot „Kids on Tour“ unterwegs und hier in Hildesheim von einer Bahnhofsmissionarin entweder zum Zug gebracht oder vom Zug abgeholt worden.
  • Menschen mit sozialen Schwierigkeiten sowie jene mit psychischen und oder Suchterkrankungen stellen nach wie vor den Größten Teil der uns aufsuchenden Gäste dar. 1349 Personen, das sind 46%, haben soziale Schwierigkeiten, 856 bzw. 29% der Hilfesuchenden sind zudem psychisch krank, oft in Kombination mit einer Suchtproblematik.
  • Die Gruppe der Menschen mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung ist mit 708 Personen und 24% aller Kontakte ebenfalls eine nennenswert große Gruppe, die unsere Unterstützung gerne in Anspruch nimmt. Dies können Reishilfen sein. Zahlreiche Gäste nutzen aber die Bahnhofsmission auch einfach als Tagesstruktur-Punkt, um nach Feierabend noch ein wenig Gesellschaft und Ansprechpartner zu haben.
  • 168 Beratungsgespräche, darunter auch seelsorgerische, wurden im Verlauf des Jahres geführt. In 212 Fällen wurden andere Fachstellen kontaktiert oder dorthin vermittelt. Konkrete Kriseninterventionen gab es 42. 
  • 160 materielle Hilfen (Schlafsäcke, Konserven, Kleidung, Hygieneartikel) wurden an Bedürftige ausgegeben. 
  • Die Anzahl von 269 geleisteten Reisehilfen im Verlauf des Jahres spiegelt die Tatsache wider, dass Hildesheim kein wichtiger Verkehrsknotenpunkt und Umsteigebahnhof ist. Die Nachfrage ist entsprechend gering. Dennoch ist die geleistete Unterstützung in jedem Einzelfall notwendig. Häufig könnten die Personen sonst gar nicht ihre Reise antreten oder fortsetzen.

Das Team der Mitarbeitenden

Seit dem 01.07.2018 ist Hildesheim kein Ein- oder Ausstiegsbahnhof für „Kids on Tour“ mehr, das gemeinsame Angebot von Bahnhofsmissionen und der Deutschen Bahn AG zur Begleitung allein reisender Kinder am Wochenende auf bestimmten ICE-Strecken. Die Finanzierung unserer Projektstelle lief zur Jahresmitte aus und konnte nicht weiter verlängert werden. Mangels Personal musste Hildesheim daher im Sommer aus dem Angebot aussteigen. Dies bedauern wir sehr und vor allem für die betroffenen Eltern und Kinder ist es unschön, da sie nun auf weiter entferntere Bahnhöfe (Göttingen oder Braunschweig) ausweichen müssen.

 Im Verlauf des Jahres 2018 wurden drei Ehrenamtliche aus dem aktiven Dienst verabschiedet. Demgegenüber konnten aber bis Jahresende durch unterschiedliche Initiativen auch sechs neue Ehrenamtliche gewonnen werden, sodass das Team nun aus acht Ehrenamtlichen und zwei hauptamtlichen Kräften besteht. Zwei weitere Interessenten sind momentan in der Probezeit. Die Wege, über die „die Neuen“ den Weg zum ehrenamtlichen Engagement in der Bahnhofsmission fanden, sind so unterschiedlich wie die Persönlichkeiten, die sich davon angesprochen fühlten: Plakataushänge im Supermarkt, ebay-Kleinanzeigen, eine Informationsveranstaltung in der Bahnhofsmission, der Internetauftritt unserer Einrichtung sowie Mund zu Mund Propaganda über Schülerpraktikanten.
Durch die bessere personelle Ausstattung konnten die regelmäßigen Öffnungszeiten auf fünf Werktage ausgeweitet werden. Ziel ist es, täglich von 9.00-17.00 Uhr  also in zwei Schichten präsent zu sein. Hierfür muss der Stamm an Ehrenamtlichen jedoch noch weiter anwachsen.

Aktivitäten und Veranstaltungen

Neben dem eigentlichen Kerngeschäft der Bahnhofsmission, Menschen in unterschiedlichsten Notlagen beizustehen, wurden im Verlauf des Jahres wieder zahlreiche Aktivitäten im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und zur Spendenakquise und Werbung neuer Ehrenamtlicher durchgeführt.

  • In einem einstündigen Interview „Auf Müllers Sofa“ von Radio Tonkuhle, dem regionalen, nichtkommerziellen Bürgerfunk-Radio der Stadt und Region Hildesheim, hatte die Leiterin der Bahnhofsmission die Gelegenheit, die Arbeit der Bahnhofsmission vorzustellen.
  • Mehrere Vorträge wurden im Verlauf des Jahres in Kirchengemeinden und anderen sozialen Einrichtungen gehalten.
  • Die Bahnhofsmission hatte einen Stand beim „Speed-Dating“, einer kleinen Ehrenamtsmesse in der Arnekengalerie, um neue Ehrenamtliche zu werben.
  • Am „Tag der Bahnhofsmission“ Ende April hatte das Team in der Bahnhofshalle einen Stand aufgebaut. Es gab eine Andacht mit Posaunenchorbegleitung, Waffeln wurden gebacken und es bestand Gelegenheit mit den Mitarbeitenden ins Gespräch zu kommen und sich die Räume der Bahnhofsmission auf Gleis zwei anzusehen. Verschiedene Lokalpolitiker waren geladen und gekommen. 
  • Mithilfe von zwei Geldspenden der Sparkasse konnte eine neue Ruhebank im Außenbereich der Bahnhofsmission für unsere Gäste sowie neue Poloshirts mit dem Logo der Bahnhofsmission für die Mitarbeitenden angeschafft werden. Letztere waren während des äußerst warmen Sommers ein Segen für alle Diensthabenden. Für die Erkennbarkeit im Bahnhof ist das Tragen von Dienstkleidung essentiell, jede zusätzliche Weste oder gar Jacke bei Temperaturen über 30 °C aber eine Zumutung.
  • Eine abendliche Informationsveranstaltung in der Bahnhofsmission sollte eigens dazu dienen, Interessenten für ehrenamtliche Mitarbeit zu gewinnen. Hier konnten die Gäste in Ruhe Fragen stellen, sich in den Räumen umschauen und mit bereits hier tätigen Bahnhofsmissionaren ins Gespräch kommen. Über diesen Weg meldete sich anschließend eine Dame, die sich derzeit in der Probezeit befindet.
  • Die Bahnhofsmission war auch wieder eine Station auf dem Weg des Lebendigen Adventskalenders durch die Nordstadt. 
  • Den feierlichen Abschluss des Jahres bildete die große Adventsandacht am dritten Advent in der Bahnhofshalle mit dem Posaunenchor St. Michael, dem Superintendenten der Stadt, Mirko Peisert, sowie dem Oberbürgermeister, Dr. Ingo Meyer, der sich im Anschluss an die Andacht noch eine Stunde Zeit nahm und zu Gast in der Bahnhofsmission war. Dies war insbesondere für die Ehrenamtlichen MitarbeiterInnen eine wichtige Anerkennung für ihr freiwilliges Engagement.

 Projekt Lernort Bahnhof

Um der steigenden Nachfrage nach Praktikumsplätzen im sozialen Bereich nachzukommen und eine gute Betreuung der Schüler- bzw. Uni/Fachhochschulpraktikanten zu gewährleisten, hatte sich das Diakonische Werk dazu entschlossen, diese Projektstelle einzurichten. Finanziert wird sie aus Mitteln der Dammanstiftung, der Klosterkammer sowie Geldern der Evangelischen Landeskirche Hannover und dem Diakonischen Werk. 

Eine gute fachliche Einarbeitung und Begleitung der Praktikanten ist wichtig, um insbesondere die Erfahrungen mit seelisch Kranken oder Menschen mit Suchterkrankung reflektieren und verarbeiten zu können. Dies kann in der Regel nicht „so nebenbei“ während des Tagesgeschäftes geschehen.
Nach krankheitsbedingt verzögertem Start konnte das Projekt im Januar 2018 mit der Einstellung einer neuen Kollegin endlich Fahrt aufnehmen.

Im Jahr 2018 waren insgesamt 58 Praktikanten sowie vier Gruppen  (zwei Schulklassen, drei Konfirmandengruppen) in der Bahnhofsmission tätig. Zum größten Teil handelte es sich um Schüler, die einen Projekttag in der Bahnhofsmission durchführten (38 Schüler), einen Probearbeitstag für ein zukünftiges Sozialpraktikum absolvierten (7 Schüler) oder ein bis zwei Tage im Rahmen ihrer Firm- oder Konfirmationsvorbereitung in der Bahnhofsmission Dienst taten (vier Schüler). Sechs Schüler (vier Gymnasiasten, zwei Oberschüler) leisteten ein Sozialpraktikum im Umfang von zwei bis drei Wochen ab. Darüber hinaus tat eine Diakonin im Anerkennungsjahr Dienst in der Bahnhofsmission. Für das Jahr 2019 haben sich bereits sechs Schüler für ein jeweils dreiwöchiges Sozialpraktikum beworben und nach einem Probearbeitstag eine Zusage erhalten. Außerdem werden im Frühling 2019 im Rahmen einer Fastenaktion wieder ungefähr zwanzig bis dreißig Schüler in Kleingruppen einen Arbeitstag in der Bahnhofsmission verbringen.
Schüler, die ein zwei- bis dreiwöchiges Sozialpraktikum absolvieren, lernen neben den alltäglichen Aufgaben der Bahnhofsmission (Gespräche mit den Gästen, Kaffee kochen, kleine Auskünfte, Dienst am Gleis) auch andere soziale Einrichtungen in Hildesheim kennen lernen. Da die Bahnhofsmission mit Einrichtungen wie dem Guten Hirt, der Herberge zur Heimat, der Ambulanten Wohnungslosenhilfe, der Lobby und der Allgemeinen Sozialberatung des Diakonischen Werks und der Bundespolizei regelmäßig zusammen arbeitet bzw. Gäste dorthin vermittelt, werden Exkursionen zu diesen Einrichtungen vorbereitet, begleitet und anschließend reflektiert. Für die Praktikanten wurden Materialien zur Begleitung des Sozialpraktikums entwickelt (Kurzvorstellung des Praktikanten, Erwartungen an das Praktikum, Übersicht über die Aufgaben und Lernmöglichkeiten für Praktikanten, Regeln in der Bahnhofsmission und zum Umgang mit den Gästen, Reflexion des Praktikums). Dieser Leitfaden für das Sozialpraktikum wird fortlaufend ergänzt und überarbeitet. Ziel ist es, einen Leitfaden zur Betreuung von Praktikanten mit unterschiedlichem Bildungshintergrund zu entwickeln, der es auch fachfremden, eventuell ehrenamtlichen Mitarbeitern der Bahnhofsmission ermöglicht, Schüler und Studierende angemessen auf ein Sozialpraktikum vorzubereiten und währenddessen zu betreuen.
Ziel für das kommende Jahr ist es, bestehende Kontakte zu Schulen, der Uni, Kirchengemeinden und anderen Jugendeinrichtungen weiter zu  intensivieren sowie weitere Partner zu gewinnen, um die Bahnhofsmission als interessanten Lernort im Bewusstsein zu verankern.

Ausblick

Im Jahr 2019 feiert die Bahnhofsmission ihr 125 jähriges Gründungsjubiläum. In Hildesheim gibt es sie immerhin nun schon seit 1914, also seit 105 Jahren. Dies soll am Tag der Bahnhofsmission auf jeden Fall gewürdigt werden.
Weiterhin bleibt die Gewinnung geeigneter Ehrenamtlicher für den Dienst in der Bahnhofsmission ein wichtiges Ziel, damit die Öffnungszeiten noch weiter ausgedehnt werden können. Wünschenswert wäre eine Öffnung am Wochenende, zumindest während der kalten Jahreszeit, damit sich wohnungslose Menschen aufwärmen und ausruhen können. Derzeit haben auch alle anderen sozialen Einrichtungen, die als Wärmestube in Frage kämen, am Wochenende geschlossen.

Die Bahnhofsmission Hildesheim als Ort der Hoffnung und Zuflucht zu gestalten, Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen, in Würde und auf Augenhöhe zu begegnen, bleibt unser wichtigstes Ziel und die Antriebsfeder für den täglichen freiwilligen Einsatz, den die Mitarbeitenden hier leisten.